Reisebericht Iceland Grand Slam Juli 2022
Iceland Grand Slam im Juli 2022
Nach unserem gelungenem Schweden-Trip 2021 dauerte es natürlich nur wenige Tage, bis wir bereits in erste Planungen für 2022 eingestiegen waren. Die perfekt harmonierende Gruppe wollte zusammenbleiben und weitere Abenteuer erleben. Lediglich Holger war nicht mit dabei, weil sein Plan im kurzen arktischen Sommer den Schweden Trophy Grayling Trip auch 2022 unter seine Fittiche zu nehmen, einfach terminlich kollidierte. Rasch war klar, dass Trockenfliegenfischen auf Salmoniden im hohen Norden erneut unser fischereiliches Ziel sein sollte. Vielleicht mit etwas mehr Komfort und etwas weniger stechenden Plagegeistern… . Unter dieser Vorgabe geriet folgerichtig bald Island als Reiseziel ins Visier. Die wilden Flüsse im Hochland testeten Marc und Christoph noch im Jahr 2021, aber die dort herrschenden Bedingungen erfordern kleine, flexible Reisegruppen. Der Thingvallavatn wäre wohl eine herausfordernde Option gewesen, aber das Trockenfliegenfischen ist dort nur unter optimalen Bedingungen und nur an einzelnen Beats möglich. Im Land der nahezu unbegrenzten fischereilichen Möglichkeiten fokussierten wir uns schliesslich auf einen Kombitrip in den Nordosten, je drei Fischtage an der Reykjadalsá und dann an der Litláa. Ende Juli 2022 landeten wir in Keflavik, froh der sommerlichen Hitze in Mitteleuropa entkommen zu können.
Nach einer kurzen Übernachtung in Reykjavik ging es mit einem eindrucksvollen, unkomplizerten Inlandsflug weiter nach Akureyri. Versüßt hatten wir uns die Stunden zuvor in der so lebensfrohen Hauptstadt durch ein leckeres Essen mit ortstypischen Spezialitäten und einen Besuch im Flyshop. Welchen Fliegenfischer kann man mit einer guten Auswahl an Tackle nicht erfreuen? Nach anfänglichen Startschwierigkeiten mit unseren modernen Hybrid-Mietwagen fanden wir uns nach kurzweiliger Fahrt von Akureyri über den „arctic diamond circle“ am Godafoss wieder und hakten dort unseren Pflichtteil mit touristischem Sightseeing auf der von Wind, Wasser und Vulkanen geformten Insel ab. Ein kurzes Mittagsessen schon in Sichtweite unseres ersten Zielgewässers und dann konnten wir auch schon die erste unserer gemütlichen, gut ausgestatteten Lodges beziehen. Das Konzept mit einem solchen Basecamp als Ausgangspunkt zu den täglichen Abenteuern am Fluss zu starten, ist voll aufgegangen. Die gemütlichen Räume sind nicht nur ein warmer Rückzugsort, sondern ermöglichen der Gruppe ein „full service“- Erlebnis ohne die exorbitant hohen Preise einer kommerziell geführten Lodge. Marc, unser Schweizer Gruppenleiter und Küchenchef, schwang hier den Löffel statt der Rute und zauberte kulinarische Genüsse, die das Niveau der Gaumenfreuden im Vergleich zur Wildnisküche des Vorjahres gleich ein paar Klassen auf einmal nach oben katapultierte. Insgesamt bietet Island eine sehr gute Infrastruktur, die bei guter Organisation das Reisen einfach macht.
Schon am Ankunftstag schwärmten wir an den Ufern der Reykjadalsá aus. Der auf vielen Kilometern für uns exklusiv zu befischende Fluss bietet abwechslungsreiche Passagen mit schnellerem Wasser in der wilden Natur eines Canyons, engen mäandrierenden Schleifen in hügeligem Gelände, Kaskaden von Weißwasser aber auch langsamen Zügen durch grüne Wiesen. Im Gin-klaren Wasser sind die Bachforellen teils von erhöhter Position der Steilufer rasch ausgemacht. Aber Achtung, gerade im Mittelteil reagieren die teils stattlichen Fische schon auf geringste Warnsignale und ist eine behutsame Annäherung erforderlich. Fangerfolg stellte sich dennoch rasch ein und die Berichte über die gute Trockenfliegenfischerei bewahrheiteten sich alsbald. Wir haben weit überwiegend trocken gefischt und jeder, jeden Tag bildhübsche wilde Bachforellen gefangen. Bei hohen Stückzahlen liegt die Durchschnittsgröße bei ca. 40-45 cm aber jeder von uns fing Fische über 50 cm. Besonders in Erinnerung ist mir ein Tag im Canyon geblieben, Ausgehend von den auf den detailreichen Karten gut gekennzeichneten Parkplätzen waren wir steil abgestiegen und fischten uns dann zu dritt wechselnd flussaufwärts. Nicht nur für den Mann an der Spitze brachte nahezu jede gelungene Präsentation vor oder hinter die verblockten Steine, in die abwechslungsreichen Strukturen der zahlreichen Pools und entlang der Rinnen unter den abrechenden Uferkanten Fisch auf Fisch. Besonders aggressiv waren die Takes auf aktiv gefischte große Sedges oder Tschernobyl Ants. Die Brownies zeigten dann keinerlei Zurückhaltung mehr. Die zu befischende Strecke schien uns unendlich, nur Hunger und Durst trieben uns spätabends aus der Tiefe der Schlucht wieder nach oben. Ein Traumtag! Aber auch an anderer Stelle wurden fischereiliche Träume wahr. Insbesondere die bereits in größerer Menge aufgestiegenen blanken Lachse sorgten immer wieder als überraschender Beifang an der Trockenen oder der Nymphe oder auf Sicht gezielt angefischt für Sternstunden mit beinhartem Drill an den Forellenruten. Bei der täglichen Rotation standen uns zusätzlich auch von der der Reykjadalsá durchflossenem See Vestmannsvatn und ein Beat der flussabwärts gelegenen Laxá zu Verfügung. Insbesondere die Fischerei über den breiten, vom Lavakies schwarzen Zügen der Laxá rundete das vielseitige fischereiliche Angebot für uns ab und bot eine Trockenfliegenfischerei vom Feinsten auf Forellen in „Russland-Größe“.
„Grösse“ kennzeichnet auch unseren zweiten Zielfluss, den wir nach unkompliziertem Umzug ab der Wochenmitte befischen konnten, gleich in mehrfacher Hinsicht. Nur im allerobersten Abschnitt unterhalb des Ausflusses aus dem durch ein Erdbeben entstandenen See Skalftavatn bietet die Litláa Strukturen eines kleinen, einfach zu lesenden Fließgewässers. Sehr bald flussabwärts strömt zusätzlich das warme Wasser aus einem zweiten kurzen Quellfluss in das kalte Wasser aus dem See. Nach dieser Junction bewegen wir uns dann an einem beindruckend großen Strom. Der Fluss friert durch die warmen Quellen selbst im langen dunklen Winter nahe dem Polarkreis (Wassertemperatur beträgt konstant 12° C) nicht zu. Was dies für das aquatische Leben bedeutet kann sich jeder leicht vorstellen. Wir fingen in unseren Tagen trotz widriger Wetterverhältnisse dementsprechend feiste Fische (die schwerste Bachforelle wog stolze 4kg aber maß nur wenig über 60 cm !!). Berühmt ist die Litláa aber vor allem für Ihre großen, kapitalen Meerforellen. Der isländische Meerforellen-Rekord ist mit einem 23 pfündigen Fisch hier dokumentiert. Auch wenn die Anzahl der aufsteigenden Fische meist erst später in Saison zunimmt, fingen wir zunächst immer wieder kleinere, nahezu blanke Forellen, die morphologisch am ehesten als Meerforellen anzusprechen waren. Die Fische zeigten sich vor Allem im Drill lebhafter als die ortsständigen Forellen. Die Fischerei war anspruchsvoll, denn es waren weniger Fische zu sehen und ein Abklopfen der vermeintlich heißen Stellenn auf Verdacht im Gegensatz zu den Verhältnissen an der Reykjadalsa wenig erfolgreich. Auch die Litláa ist durch einen tiefschwarzen, vulkanischen Untergrund von Sandkorn- oder Kieselgröße bis hin zu groben Steinverblockungen aus Lavabrocken geprägt. Auf der Suche nach den Pools und tieferen Rinnen gaukelt dieser schwarze Boden immer wieder vielversprechende tiefe hotspots vor. Watet man nach ein paar vergeblichen Würfen ein, dann merkt man verdutzt, dass das glasklare Wasser eigentlich nur flach über eine Kiesbank fließt und keinen Standplatz für größere Forellen bietet. Weitverstreut gibt es aber eben dann auch die wirklich tiefen Ausspülungen, Kolke und unterspülte Üferabbrüche. An einem solchen eindrucksvollen Pool weit flussabwärts konnten wir immer wieder große Fische in der Tiefe beobachten und teilweise auch anwerfen. Zunächst blieb es bei Nachläufern auf Streamer und Nymphe. Erst am zweiten Tag erlag ein 60plus Fisch der Rubberleg-Nymphe. Am letzten Fischtag offenbarte der Großfischfluss sein eigentliches Potential. Trotz widrigster Wetter- und Windbedingungen hatten wir in der vormittäglichen Session bereits gut gefangen. Zum Ende fischte ich ein Streamermuster eigener Kreation, mit welchem ich die dreistacheligen Stichlinge als Hauptfutterfisch der Insel bereits am Thingvallavatn erfolgreich imitieren konnte. Ich präsentierte den buschigen Streamer mit schwarz, weiß, oliver Schwinge und rotem Kehlpunkt flussauf, um mit dem unablässig pfeifenden Wind werfen zu können. Tatsächlich hatte ich eine Rinne am Seeauslauf gefunden und glaubte, dass dieser Spot bisher auch wenig Befischungsdruck erfahren hatte. Im sichtigen Wasser sah ich dann schon in 15 m Distanz die Flanken großer Fische aufblitzen und zwei Fische attackierend meinem taumelden Streamer folgen. Die Größe der beiden um den Köder balgenden Forellen ließ mir wahrlich das Blut in den Adern gefrieren. Diese Schrecksekunden hielten an, bis ich den aggressiven Take meines Streamers nur 1,5 Meter vor meinen Füßen live miterlebte. Rute gehoben, massiger Widerstand bis ins gebogene Handteil, rasende Flucht und erster Sprung waren eins. Das Aufklatschen des massigen Fisches auf der Wasseroberfläche erinnerte mich an eine übermütige „Arschbombe“ meines 13-jährigen Sohnes und aus meiner Kehle drang unwillkürlich ein unartikulierter Jubellaut einen solchen Lebensfisch, offensichtlich gut gehakt am Band zu haben… Der Wind riss diese Gefühlsäußerung ungestüm mit sich und ebenso wild gebärdete sich das Monster an meiner Schnur… der Leser fürchtet es nun sicher schon, mich traf es völlig unvermittelt… ein erneuter Sprung, die Forelle schraubt sich hoch, plötzlich kein Widerstand mehr, die Schnur erschlafft… neiiiiin… auf die Knie gesunken prüfe ich die leere,baumelnde Leine. Das 0,23 Fluorocarbon-Tippet ist gerissen, ca. 20cm über dem Streamer. Jeder Fischer kennt die dröhnende Leere im Kopf, wenn der Adrenalinrausch plötzlich abgewürgt wird… natürlich war die Vorfachstärke zum Streamern an einem solchen Fluss, vorsichtig formuliert, zu optimistisch gewesen, hinterher ist man immer schlauer! Was bleibt ist eine grandiose Erinnerung und die Gewissheit, dass mich dieser Fluss wiedersehen wird.
Abgerundet wurden unsere Tage an der Litláa durch viele schöne Saiblinge am Skjalvtavatn. Der See gehörte erneut mit zu unserem Revier. Es bestand Fanggarantie, wenn man die „Löcher“ gefunden hatte, in denen die Saiblings-Schulen im See dicht an dicht stehen müssen. Die Kampfkraft der arktischen Saiblinge ist sensationell und sorgte für schmerzende Muskeln. Vielfältigste Wasservögel, sprudelnde Quellen, wilder Thymian sowie die eindrucksvollen Lichtverhältnisse in den rasch wechselnden Wetterlagen der langen arktischen Tage kreierten unvergessliche Stimmungen.
Trotz der turbulenten Reisebedingungen in diesem Sommer haben wir am Ende gut wieder heimgefunden und auch kein Gepäckstück auf dem Weg abschreiben müssen. Natürlich gab es auch auf dieser Reise kleinere und größere Pannen wie das vergebliche Warten auf den Flughafentransfer oder ein durch halbwilde Islandpferde demoliertes Mietauto… Schlussendlich war die Reise aber ein tolles kameradschaftliches Erlebnis und eine erfolgreiche und lehrreiche fliegenfischereiliche Erfahrung. Ich möchte mich bei allen Mitfahrern und insbesondere bei Marc, ohne den diese Reise niemals so gelungen wäre, für diese Tage bedanken.
„Nach dem Trip ist vor dem Trip!“, wir sehen uns alle wieder.
Bleibt gesund, tight lines!
Christoph Zimmermann
PS: Auch 2023 planen wir wieder einen Iceland Grand Slam. Interessierte melden sich bitte schnellstmöglich über Kontakt.